Zum ersten Mal in der Geschichte der Formel 1 standen in Baku mit Oscar Piastri, Charles Leclerc und George Russell drei ehemalige Formel-2-Piloten auf dem Podium. Zudem erzielten Franco Colapinto und Oliver Bearman, die erst kürzlich aus der Nachwuchsserie aufgestiegen, in ihrem zweiten Formel-1-Rennen ein Punkteergebnis.
Wenngleich die Kollision zwischen Carlos Sainz und Sergio Perez dabei eine Rolle spielte, lässt das Rennergebnis die Frage aufkommen, wie stark sich die aktuellen Formel-2-Autos noch von der Königsklasse unterscheiden - und welche Herausforderungen die jungen Talente überhaupt erwartet, wenn sie den Schritt in die Formel 1 vollziehen.
Dass die jungen Piloten auf dem Vormarsch sind, ist am vergangenen Wochenende besonders aufgefallen. "Ich meine, es ist die Kategorie, die der Formel 1 am nächsten kommt, aber ich denke, nichts kann einen wirklich auf die Formel 1 vorbereiten", grübelt Bearman darüber, warum die aktuellen Formel-2-Piloten auf Anhieb um die Punkte mitfahren.
"Die Investitionen und die Zeit, die in die Herstellung eines Formel-1-Autos fließen, das das ganze Jahr über entwickelt und von so vielen Leuten optimiert wird, sind einfach ein ganz anderes Spiel als das Fahren in der Formel 2", weiß Bearman, der in diesem Jahr mehrfach zwischen beiden Serien hin und hergewechselt hat. "Obwohl die Formel 2 der Formel 1 so nahe wie möglich kommt, ist der Schritt zur Formel 1 doch sehr groß."
Das zeigen auch die Daten aus Aserbaidschan: Die Polezeit von Charles Leclerc war mit 1:41.365 Minuten immerhin mehr als 13 Sekunden schneller als die Bestzeit von Richard Verschoor, der sich mit einer Rundenzeit von 1:54.857 Minuten auf die Formel-2-Pole stellte.
Wobei die Werte aus Baku aufgrund des hohen Vollgasanteils mit Vorsicht zu betrachten sind. Während die Höchstgeschwindigkeit des einheitlichen Formel-2-Boliden offiziell mit 335 km/h (Monza-Aerodynamik + DRS) angegeben wird, erreichte George Russell im Rennen einen Top-Speed von 357 km/h - also über 20 km/h mehr!
Formel 1 mit besserer Aerodynamik
Aber auch im Fürstentum von Monaco, wo es nicht auf die Höchstgeschwindigkeit ankommt, lagen die Polezeiten von der Formel 1 (1:10.270 Minuten) und der Formel 2 (1:21.283 Minuten) mehr als elf Sekunden auseinander. Dafür sind sowohl die Leistung (650 PS statt rund 950 PS) als auch die Aerodynamik verantwortlich.
Ein Punkt, den auch Bearman unterstreicht. "Für mich ist es einfach der Abtrieb in der Formel 1", spielt der Haas-Pilot auf die Unterschiede der beiden Fahrzeugklassen an. "Damit kann man so viel mehr machen. Die Art und Weise, wie man das Auto fährt, ist ein bisschen anders."
Oliver Bearman (Haas) kommt in der Formel 1 schnell zurecht
Foto: Motorsport Images
Kurios: "Ich würde es eher mit der Formel 3 vergleichen, die einen sehr ähnlichen Fahrstil wie die Formel 1 hat", erklärt Bearman, der glaubt, dass man in der Formel 1 "ein bisschen mehr mit dem Limit spielen" kann. "Und es ist eher eine Vertrauenssache, ob man die Rundenzeit herausholt oder nicht."
Stattdessen ginge es "weniger darum, wie gut man das Auto wirklich kennt, sondern eher darum, dass man weiß, was man mit dem Auto machen kann", sagt Bearman, der in diesem Jahr bereits für zwei unterschiedliche Teams und damit auch in zwei komplett verschiedenen Formel-1-Boliden am Start war.
In der Formel 1 ist alles perfektioniert
Für Franco Colapinto, der seit dem Italien-GP das Cockpit von Logan Sargeant übernommen hat, sorgt auch die Arbeitsweise in der Königsklasse für deutliche Unterschiede. Nachdem der Argentinier bei den bisherigen Testfahrten nur mit zwei oder drei Ingenieuren zusammen gearbeitet hatte, sind am Rennwochenende rund 30 Ingenieure dabei.
Franco Colapinto und Oliver Bearman sind kürzlich aufgestiegen
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"Einer prüft den Flügel, einer die Kupplung. Einer für jede Kleinigkeit. Das ist eine ganz andere Art von Investition, von Technologie", beschreibt Colapinto seine bisherigen Erfahrungen. "Und daran muss man sich erst einmal gewöhnen."
Doch obwohl der Williams-Pilot vor dem Monza-Wochenende nur wenig praktische Erfahrungen in der Formel 1 vorzuweisen hatte, kam er bei seinem Debüt erstaunlich schnell zurecht. "Ich denke, das zeigt, dass das Team mit den jungen Fahrern einen guten Job macht, um sie vorzubereiten. Ein Formel-2-Auto ist sehr schön zu fahren, aber es ist noch ein bisschen weit von der Formel 1 entfernt."
"In der Formel 1 wird alles maximiert. Alles ist so gut, wie es sein kann. Und wenn man das Auto fährt, gibt es keine Probleme", spielt Colanpinto darauf an, dass die Teams ihren Fahrern ein perfekt vorbereitetes Auto hinstellen. "In der Formel 2 geht man zum Ingenieur und kann sich über jeden Teil der Kurve beschweren, wenn man will. Aber deshalb haben sie auch so viel Arbeit zu tun."
Antonelli hat seine ersten Formel-1-Erfahrungen gemacht
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In der Formel 1 sei alles nahezu perfekt, weiß der Williams-Pilot mittlerweile. "Sie haben eine Menge Werkzeuge, um das Auto, das sie haben, zu maximieren, und es ist einfach ein erstaunliches Auto zu fahren. Es ist das schnellste Auto der Welt, und es ist etwas, das man noch nie zuvor erlebt hat."
Formel 2 ist "eine völlig andere Welt"
Auch der aktuelle Sauber-Pilot Zhou Guanyu fuhr von 2019 bis 2021 in der Formel 2, wobei damals allerdings noch das Vorgängermodell des aktuellen F2-Boliden genutzt wurde. "Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie das neue Auto aussieht, so wie es sich anhört, ist es ein bisschen anders", sagt der Chinese. "Bei dem alten Auto war es eigentlich kein großer Unterschied, was die niedrige Geschwindigkeit angeht."
Auch für Zhou war deshalb die Arbeitsweise "eine völlig andere Welt, denn in der Formel 2 kommuniziert man natürlich nur mit zwei Ingenieuren, die einem bei allem helfen, beim Start, bei der Abstimmung des Autos, und man kann nur bestimmte Dinge tun."
In der Formel 1 kann man stattdessen "jedes einzelne Teil am Auto verändern und versuchen, den Vorteil daraus zu ziehen", erinnert der Sauber-Pilot. "Ich denke also, dass es ein großer Schritt ist, aber es ist wichtig, sich so gut wie möglich vorzubereiten, um für die F1-Chance bereit zu sein."