Die Filmstarts-Kritik zu Haywire (2024)

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Haywire

Kritik der FILMSTARTS-Redaktion

4,0

stark

Haywire

Von Christoph Petersen

Regisseur Steven Soderbergh ist ein Wandler zwischen den Welten. Egal ob Blockbuster- („Ocean's Eleven"), Arthouse- („The Good German"), Independent- („Sex, Lügen und Video") oder Experimental-Kino („Bubble"), es gibt kaum einen zweiten Filmemacher, der so konsequent zwischen den Genres und Budgetklassen hin und her springt wie der Oscar-Preisträger (für „Traffic - Die Macht des Kartells"). Diese Begeisterungsfähigkeit für Neues zeigt sich auch bei seinem aktuellen Projekt „Haywire", das auf dem Papier wie ein simpler Action-Reißer wirkt, wozu auch die Wahl einer Ex-Mixed-Martial-Arts-Fighterin ohne nennenswerte Schauspielerfahrung als Protagonistin auf den ersten Blick passt. Aber Soderbergh engagierte dazu für die Nebenrollen hochkarätige Stars wie Michael Fassbender oder Ewan McGregor und rundete das Ganze mit einer stilbewussten Inszenierung ab, wie man sie vielleicht von einem Oscar-Kandidaten, aber ganz sicher nicht von einem Prügelfilm erwarten würde. Deshalb ist „Haywire" aber noch lange kein angestrengt auf „anders" getrimmter Kunstquatsch, sondern überzeugt trotz (oder gerade wegen?) seiner ungewöhnlichen Zutaten als kurzweilige Action-Unterhaltung mit einer saucoolen Protagonistin, die den Kerlen um sich herum endlich einmal glaubhaft den Hintern versohlt.

Die Ex-Marine-Soldatin Mallory Kane (Gina Carano) arbeitet inzwischen für das Privatunternehmen ihres Ex-Freundes Kenneth (Ewan McGregor), das im Auftrag der US-Regierung Undercover-Operationen in der ganzen Welt durchführt. Gerade erst ist sie von einem Auftrag in Barcelona in die Vereinigten Staaten zurückgekehrt, da wird sie von Kenneth auch schon wieder losgeschickt. Diesmal soll sie sich als Frau des britischen Agenten Paul (Michael Fassbender) ausgeben, um so an dessen Kontaktperson Studer (Mathieu Kassovitz) heranzukommen. Doch der Auftrag verläuft anders als geplant, offenbar wurde Mallory von ihren eigenen Leuten hintergangen. Nun hängt sie in Dublin fest und versucht alles, um in die USA zurückzukehren und dort nach dem wahren Verräter zu suchen. Und so viel ist sicher: Wenn sie ihn findet, wird die Sache für ihn sicherlich kein gutes Ende nehmen...

Wer die Karriere von Steven Soderbergh auch nur ein wenig verfolgt hat, dem musste klar sein, dass „Haywire" keine herkömmliche Actionsause werden würde. Sicherlich steckt auch hier die Geschichte wie bei Agenten-Räuberpistolen üblich voller geheimer Operationen und heimtückischem Verrat, aber Soderberghs bewusst unterkühlte Inszenierung inklusive eisiger Digitaloptik verleiht dem Film einen fast schon bodenständigen Realismus, dessen besonderer Reiz gerade aus dem Kontrast zur abgehobenen Spionage-Story entsteht. Die Actioneinlagen sind – mit Ausnahme einer ausschweifenden Verfolgungsjagd, in der Mallory in Dublin vor einem SWAT-Team flüchtet – bewusst kurz gehalten, aber dafür auch auf den Punkt präzise umgesetzt. Gerade die waffenlosen Zweikämpfe inszeniert Soderbergh knallhart und ohne Schnörkel – die Protagonisten schlagen sich hier eben nicht zur Belustigung des Publikums, sondern um dem jeweiligen Gegner möglichst schnell den Garaus zu machen.

Dass die Action so authentisch gerät, liegt zum großen Teil auch an Gina Carano. Wie schon in seinem Experimental-Drama „The Girlfriend Experience", in dem Soderbergh die Call-Girl-Protagonistin Chelsea mit Pornostar Sasha Grey besetzte, entschied sich der Regisseur auch bei „Haywire" für eine Hauptdarstellerin, die zwar (trotz eines Auftritts in dem Direct-to-DVD-Vehikel „Blood And Bone - Rache um jeden Preis") nicht aus dem Schauspielfach stammt, aber dafür andere Qualitäten mitbringt. Als Ex-Mixed-Martial-Arts-Fighterin (acht Kämpfe, sieben Siege) hat sie die Statur, die Technik und die Selbstverständlichkeit, die es braucht, um auf der Leinwand glaubhaft Dresche zu verteilen. Wenn Cameron Diaz oder Drew Barrymore den Männern in „Drei Engel für Charlie" eine verpassen, ist das vielleicht niedlich (und auch ein bisschen sexy), aber wenn Gina Carano ihren Widersachern die Visage poliert, dann tut das schon beim Zuschauen richtig weh.

Die Riege hochkarätiger männlicher Nebendarsteller gerät da fast ein wenig zur Nebensache – allerdings auch nur fast: Während Oscar-Gewinner Michael Douglas („Wall Street") dem Film mit seiner schieren Präsenz zusätzliches Gewicht verleiht, beweisen Ewan McGregor („Beginners"), Channing Tatum („Für immer Liebe") und Michael Fassbender („Inglorious Basterds"), dass man auch in Actionszenen mit Schauspielkunst eine Menge erreichen kann. Gerade Fassbender erscheint im grandios gefilmten Zweikampf mit Carano als ernstzunehmender Konkurrent, obwohl sie im wahren Leben wohl nur wenige Sekunden benötigen würde, um ihn auf die Bretter zu schicken. So erscheint lange Zeit alleine die Rolle von Antonio Banderas („Die Haut, in der ich wohne") als überflüssig, aber mit einem der treffendsten Schlussworte der Kinogeschichte rechtfertigt auch er sein Mitwirken ganz am Ende doch noch.

Fazit: Sowohl die Story als auch die Besetzung der Hauptrolle mit einer Ex-Kampfsportlerin deuten auf billigen Direct-to-DVD-Schund hin – aber lasst euch nicht täuschen: „Haywire" ist ein extrem stilbewusster, verdammt cooler Actionstreifen für Kinofans, die bereit sind, auch abseits klassischer Blockbuster-Unterhaltung nach guten Filmen Ausschau zu halten.

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